Gönnen Sie sich einen Blick vom Johannisberg, über die Weinberganlage zur Stadt, wie es 1890 der „Vater des Bades" und „Architekt" früher wichtiger Weichenstellungen für die Stadtentwicklung, Dr. Friedrich Bode, tat. 

 

Sein Resümee: „Es gibt wohl wenige Städte, die in den letzten 50 Jahren eine so durchgreifende Veränderung erfahren haben, wie unser Nauheim." Das eigentliche Dorf befand sich 1837, dem Niederlassungsjahr Dr. Bodes, in den engen Grenzen einer Ringmauer. Deren Verlauf erstreckte sich vom unteren Ende der Hauptstraße westlich bis zur heutigen Rießstraße und von der Nordmauer des alten Friedhofes bis hinter die Reinhardskirche. In den 214 Häusern lebten damals 1400 Einwohner. Die Salzgewinnungsanlagen befanden sich außerhalb, in südöstlicher Richtung. Dort auf der „Saline" gab es sichere Arbeit und es blieb noch genug Zeit, die Landwirtschaft im Nebenerwerb zu betreiben. 

 

Das Erscheinen der heil bringenden Badequellen brachte ungeahnten Aufschwung. Nauheim begann die engen Fesseln der Ummauerung abzustreifen. Neubaugebiete entstanden. Ab 1850 kam nord-westlich zunächst „die Hiesbach" mit ihren typischen Siedlungsbauten hinzu. Sie bot den einfachen Leuten Wohnung und Existenz, die dort zum Teil einem Handwerk nachgingen oder auch für Kurgäste Quartiere bereithielten. Etwa zeitgleich entstand ein vornehmes Villenviertel im Bereich Parkstraße, Kurstraße und Stresemannstraße, was investitionswillige Fremde und dann auch zahlreiche Gäste aus Frankreich, Holland, Russland und anderen Ländern anlockte. Die Verkehrsanbindung mit der Bahn kam hinzu und die Erhebung Nauheims zur Stadt, 1854, brachte den für die weitere Entwicklung des Bades glücklichen Umstand, durch eine französische Betreibergesellschaft eine Spielbank eröffnen zu können. Damit verbunden waren u.a. Auflagen wie der Ankauf des Geländes zwischen Parkstraße und Teichhaus, was schließlich die Anlage des Kurparks durch den Hofgartendirektor Heinrich Siesmayer ermöglichte. Nicht nur die Einwohnerzahl verdoppelte sich in diesen 50 Jahren, sondern auch die Zahl der Häuser. Und die Kurgäste nahmen um ein Vielfaches zu, von 189 im Jahre 1837 auf etwa 22000 um die Jahrhundertwende. Bad Nauheim war zur Kurstadt von „weltweitem" Interesse geworden. Die Menschen des 19. Jahrhunderts haben durch ihr Leben, ihre Arbeit, in ihren Funktionen als Bedienstete der Stadt, des Bades und der Saline, als Kurgast oder in der Stadt weilend, um sich „Glück" zu erhoffen, ihre „Handschrift" hinterlassen, was sich dem Auge im oben dargestellten Stadtbild erschließt. Sie haben den Grundstein für die Entwicklung Bad Nauheims bis zum heutigen Tag gelegt. Bestattet sind sie auf dem alten Friedhof an der Wilhelmskirche. Ihre Namen sind uns bekannt. An einige dieser Menschen, die durch ihr Leben, ihre Berufsausübung oder Funktion für die damalige Zeit typisch erschienen, wird durch Inschriften auf Basaltstelen erinnert. Durch die beispielhafte Zusammenarbeit zwischen dem Förderverein "Alter Friedhof - Historischer Bürgerpark e.V." und der Stadt Bad Nauheim war es möglich, das Erbe der damaligen Zeit lebendig zu halten. Blumen und Sträucher, die früher in den Friedhöfen zu Hause waren und in der ihnen zugewiesenen Bedeutung von Leben oder Tod künden, sind vielfach vergessen. In professioneller gärtnerischer Arbeit wurden sie ausgewählt und in ihrer Symbolik für Leben und Sterben wieder sichtbar gemacht. Lassen Sie sich auf Ihrem Rundgang leiten von „Zeitzeugen" des vorletzten Jahrhunderts und nehmen Sie sich die Zeit, das durch Einzelne Geschaffene genauer in Augenschein zu nehmen.

 

  Bernd Witzel

 

 Bürgermeister der Stadt Bad Nauheim