Das Bad Nauheimer Grabkreuz von 1723

Das alte Bad Nauheimer Grabkreuz von 1723, Zeichnung von Paul Eberlein um 1910
Das alte Bad Nauheimer Grabkreuz von 1723, Zeichnung von Paul Eberlein um 1910

DAS ALTE NAUHEIMER GRABKREUZ VON 1723

 

 

Das alte Nauheimer Grabkreuz von 1723 wurde mehrfach beschrieben und erlangte seine Bedeutung durch eine detailgetreue Zeichnung des Architekten Paul Eberlein sowie einer kunsthistorischen Betrachtung durch Friedrich Mößinger.

Der Frage, für welchen alten Nauheimer  dieses Grabkreuz errichtet wurde, soll im folgenden Beitrag nachgegangen werden.

 

Die Zeichnung von Paul Eberlein stammt aus einer Sammlung von Studienblättern, erschienen 1910 im Verlag Alfred Reichert, Buchhandlung für Architektur, Frankfurt am Main. Auf Blatt 76 der 100 Blätter enthaltenden Halbleinen-Mappe im Querformat sind drei schmiedeeiserne Grabkreuze abgebildet. Links auf dem Blatt ein Kreuz aus Ruhpolding, in der Mitte das Kreuz aus Bad Nauheim und rechts ein Kreuz aus Fulda. Weitere Angaben zum Standort des Kreuzes  und zum Zeitpunkt des Entstehens der Zeichnung fehlen. Es ist schon erstaunlich, daß Eberlein bei seinem Besuch in Bad Nauheim gerade dieses Kreuz für so außergewöhnlich hielt, daß er eine Skizze davon anfertigte und veröffentlichte. 

 

Im Vorwort der Studienmappe heißt es: „Mögen Paul Eberleins Studienblätter ihren Weg gehen und Eingang finden bei Vielen, die sich dem Studium und der Ausübung der Baukunst, des Kunstgewerbes und des Kunsthandwerkes widmen wollen.“ 

 

Gerade dem Kunsthandwerker, aber auch dem Denkmalpfleger ist die Skizze des Grabkreuzes eine wertvolles Dokument der Schmiedekunst des frühen 18. Jahrhundertse, zumal seine Maße detailgetreu eingezeichnet sind. 

 

Die Zeichnung des Bad Nauheimer Grabkreuzes veranlaßte 31 Jahre nach der Veröffentlichung der Eberleinschen Skizzenblätter den Heimatforscher Friedrich Mößinger, einen Aufsatz in der Zeitschrift Volk und Scholle zu schreiben. Im Heft 10 vom Oktober 1941 beschreibt er das Kreuz wie folgt: 

 

“Auf einem kräftigen, gedrehten Fuß, dessen Steifheit durch spiralische Bänder gemildert ist, sitzt auf durchbrochener Blechscheibe das Kästchen, das bei derartigen Kreuzen die Regel ist und die Namen und Lebensdaten der Verstorbenen hinter einem Türchen verbirgt. Reich sind die Kreuzarme ausgestaltet, tulpenartige Blumen zieren die Enden. Über dem Kästchen finden wir auf einer wappenähnlichen Tafel die Buchstaben C S , die Jahreszahl 1723 und die Handwerkszeichen eines Schlossers oder Schmiedes, Hämmer und Zange.“ 

 

Dann stellt Mößinger die Vermutung an, dass der Meister sich selbst dieses schöne Grabzeichen geschmiedet haben könnte. 

 

Über die Herkunft des Grabkreuzes und seinen Verbleib erfahren wir genaueres in dem Beitrag von Frau Dr. Elisabeth Kredel, „Der alte Bad Nauheimer Friedhof vor 50 Jahren“, Band 17 (1968) der Wetterauer Geschichtsblätter. 

 

„Denn das viel ältere handgeschmiedete Grabkreuz aus dem Jahre 1723, das in der Ecke beim Tor am Ernst-Ludwig-Ring, beim Betreten des Friedhofs links, seinen Platz hatte, stammte vom alten Totenhof um die Wilhelmskirche. Man mag es bei der Aufhebung dieser Begräbnisstätte hier hergebracht haben, um es vor Zerstörung zu bewahren. Leider war eine spätere Generation weniger pietätvoll und ließ es achtlos verkommen. So müssen wir uns mit einer älteren Zeichnung von Paul Eberlein begnügen, die Friedrich Mössinger einem Aufsatz beifügt, in dem das kleine Kunstwerk beschrieben ist und als besonders wertvolles Beispiel handwerklicher Volkskunst bezeichnet wird. Daß ein Nauheimer namens Klinkerfuß der Schmied seines eigenen Grabkreuzes gewesen sei, wie mündlich überliefert worden ist, erhöht seinen heimatgeschichtlichen Wert und läßt den Verlust umso mehr bedauern." 

 

Noch vor der Veröffentlichung der Arbeit von Elisabeth Kredel, befaßt sich am 17. November 1959 ein Artikel in der Wetterauer Zeitung mit dem Grabkreuz. Wiederum wird das von Eberlein gezeichnete Kreuz abgebildet und beschrieben. Es folgt eine Angabe, aus der hervorgeht, daß die Nachfahren 1838 das Grabkreuz vom alten Totenhof an der Wilhelmskirche entfernt und auf den seit 1802 belegten heutigen sogenannten „Alten Friedhof“ wieder aufgestellt haben. Und auch jetzt wird behauptet, daß „nach zuverlässiger Überlieferung, der Schmied seines eigenen Grabdenkmals Klinkerfuß geheißen habe.“ 

 

Dieser Behauptung muss mit Skepsis begegnet werden. 

 

Geht man davon aus, daß die von Paul Eberlein eingetragenen Buchstaben C und S sowie die Jahreszahl 1723 auf dem Blechkästchen des Grabkreuzes richtig gelesen wurden, dann müßte im Sterberegister des Nauheimer Kirchenbuches im Jahr 1723 ein Eintrag zu finden sein, dem das C als Vorname und das S als Nachname zugeordnet werden kann. Das ist auch tatsächlich der Fall. 

 

Im Nauheimer Kirchenbuch sind im Jahr 1723 elf Sterbeeinträge zu finden: 

  

 

29. Januar:       Judith Kreitmann, alt 63 Jahre

 

02. Februar:      Johannes Müller, Schulmeister und Organist, alt 50 Jahre

 

07. Februar:      Christina Schäfer, alt 36 Jahre

 

19. Februar:      Christian Hartmann, Gerichtsschöffe, alt 54 Jahre

 

23. Februar:      Johann Christian Marloff, alt 3 Tage

 

21. März:          Margretha Müller, alt 67 Jahre

 

02. April:          Anna Margaretha Schäfer, alt 11 Monate

 

18. April:          Herr Christophel Schmidt, Kirchenältester, alt 74 Jahre

 

02. Mai:            Herrn Georg Sällern hinterlassene Frau, alt 100 Jahre

 

16. Sept.:         Margaretha Eußer, alt 73 Jahre

 

03. Dezember:   Anna Catharina Moll, alt 49 Jahre 

 

 

Auf dem wappenförmigen Schildchen an der Spitze des Grabkreuzes sind zwischen den Initialen C und S sowie der Jahreszahl 1723 die Embleme des Schmiedes, eingefügt. Soweit erkennbar handelt es sich um drei Werkzeuge, einen Hammer, eine Zange sowie um ein weiteres nicht einzuordnendes Werkzeug.

 

Hierbei kann es sich sowohl um das Zunftwappen eines Schmiedes als auch um das Familienwappen Schmied oder Schmidt handeln.

 

Sollte es sich tatsächlich um ein bürgerliches Wappen handeln, wäre die Zuordnung zu dem Ratsherren Christophel Schmidt am wahrscheinlichsten. Auch die Anrede „Herr“ im Sterberegister und das Amt eines Kirchenältesten sprechen für ein gewissesen Wohlstand der Familie, um sich ein solches Grabmal leisten zu können. 

 

Durch weitere Nachforschung in den Nauheimer Kirchenbücher könnte der Beruf des Christofel Schmidt vielleicht doch noch bestimmt werden. Sollte er wirklich Schmied gewesen sein, so müßte das vielleicht in den Taufregistern seiner Kinder oder aber im Sterbeprotokoll seiner Frau erwähnt sein.

 

 

 

Thomas Schwab, Bad Nauheim, Januar 2011